Blumen und Tomaten

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Staatsballett-Skandal: Ballettmeisterin weist Rassismus-Vorwürfe zurück

2.11.21

Nicht sehr oft berichtet Presse detailliert von einem solchen Fall, wo das Rassismus-Opfer dann vielleicht doch keins ist. 

Vielleicht kommen wir hier nochmal auf die absurde Absetzung des Lese- und Puppenspielabends über das "andere" Buchenwaldkind, den Sinto bzw. Zigeuner und Puppenspielersohn WILLY BLUM zurück - unter schwiemeliger Rassismus-Unterstellung durch die SCHAUBUDE:

 

Kopie aus der BERLINER ZEITUNG 

(Die Zeitung ist journalistisch nach meiner Wahrnehmung sehr unterschiedlich  – aber eine Autorin hat 2020 mal der Mohrenstraßen-Umbenennung entschieden widersprochen: die wäre keineswegs im Sinne der Afrostämmigen-Mehrheit, sondern nur der Meinung einer „schwarzen Elite“).

 

Prozess vor dem Bühnenschiedsgericht:

Staatsballett-Skandal: Ballettmeisterin weist Rassismus-Vorwürfe zurück

 

Wie sich das Staatsballett Berlin von einer schwarzen Tänzerin unter Druck setzen lässt, Ansehen riskiert und gegen eine loyale Ballettmeisterin vorgeht.

Birgit Walter

 

Berlin - Das Staatsballett Berlin ist Deutschlands größte, teuerste und prestigeträchtigste Ballett-Compagnie mit über 80 Tänzerinnen und Tänzern. Seit knapp einem Jahr aber kreisen die Skandal-Schlagzeilen hier vor allem um Rassismus: Drill und gestrige Ästhetik! Schweinerei mit Schwan! Schwarze Tänzerin gemobbt, Intendantin schockiert, Kultursenator entsetzt! Die Rassismus-Vorwürfe erhob die dunkelhäutige französische Tänzerin Chloé Lopes Gomes deutschlandweit, aber auch in der New York Times, dem Guardian und bei CNN.

Lopes Gomes tanzte von 2018 bis 2021 am Staatsballett, erstritt wegen ihrer Diskriminierungsvorwürfe im April 2021 eine Entschädigung von 16.000 Euro sowie eine Verlängerung ihres Vertrages durch einen Vergleich. Danach blieb sie nur noch kurz im Ensemble, meldete sich krank, verließ im August das Staatsballett und nahm ein Engagement in Straßburg an.

Bis heute ließ kaum ein Medium Zweifel an der Frage aufkommen, ob die Vorwürfe überhaupt stimmen. Dabei tanzen in dieser Compagnie Menschen aus 30 Nationen, ohne dass je ein Zwischenfall bekannt wurde. Die Ballettmeisterin Barbara Schroeder, die seit November 2020 für angebliche Beleidigungen am Pranger steht, erklärt der Berliner Zeitung, was sie zuvor auch stets ihrer Intendanz versichert hatte: „Kein Vorwurf gegen mich stimmt. In meiner Wahrnehmung gab es gegenüber Chloé Lopes Gomes nie Rassismus.“ Trotzdem erhielt sie drei Abmahnungen vom Staatsballett, gegen die sie klagte und über die in der vergangenen Woche vor dem Bühnenschiedsgericht verhandelt wurde.

Lopes Gomes klagte, dieser Ballettmeisterin könne sie nichts recht machen

Barbara Schroeder, 53, kam im Jahr 1987 an die Staatsoper, wurde 1993 Solotänzerin, vielfach ausgezeichnet und 2006 als Ballettmeisterin engagiert. Sie ist dafür zuständig, dass die Stücke wie von den Choreografen inszeniert und in höchster Qualität auf die Bühne kommen. Die Französin Chloé Lopes Gomes, 30, wurde unter anderem an der Bolschoi-Akademie ausgebildet und hatte verschiedene Engagements. Sie beklagte im Magazin Der Spiegel, dieser Ballettmeisterin könne sie nichts recht machen. Sie werde ständig korrigiert, „der Arm zu hoch, das Bein zu tief, sie tanze nicht synchron“. Sie fragte den damaligen Intendanten, ob er die Ballettmeisterin feuern könne. Der Schwede Johannes Öhman erklärte ihr, Voraussetzung sei ein gemeinsames Gespräch. Das lehnte Lopes Gomes ab, berichtet Öhman später in der Wochenzeitung Die Zeit. Er selbst schmiss seinen Posten in Berlin nach kurzer Zeit hin.

Die Ballettmeisterin schildert die Arbeit mit Chloé Lopes Gomes so: „Stimmt, sie brauchte sehr viele Korrekturen, um Defizite zu den anderen Damen auszugleichen. Ihr Engagement begann mit der Einstudierung von zwei großen Balletten, die sie neu lernen musste – unheimlich fordernd. Bei allen Neuen sind viele Korrekturen üblich, haben nichts mit Herkunft oder Hautfarbe zu tun, sondern mit der Anpassung an den geforderten Stil.“

Als das Engagement von Chloé Lopes Gomes im Oktober 2020 nicht verlängert wurde, rief sie die Presse und erklärte sich zum Rassismus-Opfer. Dabei wurde durch den Intendantenwechsel noch elf weiteren Tänzerinnen und Tänzern gekündigt. Dann verklagte sie ihre Compagnie auf Weiterbeschäftigung und Entschädigung. Vor Gericht wies das Staatsballett die Vorwürfe zurück, begründete die Kündigung mit Leistungsschwäche: Lopes Gomes sei physisch nicht stark genug, schwach in klassischer Technik, tanze aus der Reihe.

Erwähnt sei, dass es in dem kurzen Arbeitsleben einer Tänzerin tatsächlich gnadenlos zugeht. Die Ausbildung ist lang und hart, das internationale Überangebot groß, Verträge laufen nur ein, zwei Jahre. Zum Vergleich – wer es als Musiker an die Staatskapelle schafft, den erwartet ein lebenslanges Engagement mit komfortablen Dienstzeiten und hohem Gehalt. Ein Tänzer muss gehen, sobald er nicht mehr gut genug ist, zu alt, zu schwach.

Lopes Gomes erhebt noch andere Vorwürfe – es geht um Haare und Make-up

Theoretisch weiß das jede Tänzerin, praktisch sei es jedes Jahr ein Schock, sagt Barbara Schroeder: „Ein entsetzlicher Vorgang, den es so in keinem anderen Beruf gibt. Man kann ihn noch so freundlich gestalten, das Ergebnis bleibt. Wiederum ließe sich ohne ständige Erneuerung die Klasse nicht wahren.“

Hier geht es also offenbar um Leistungskonflikte, nicht um Rassismus. Aber Lopes Gomes erhebt noch ganz andere Vorwürfe, sagte zu CNN: „Ich war immer die einzige Tänzerin, die ihre Haare selbst gemacht hat, weil die Stylisten nicht wissen, wie sie mit meiner Textur umgehen sollen. Ich war die einzige, die eigenes Geld für Make-up ausgeben musste, weil das Staatsballett Foundations nur für weiße Haut hat.“ Das also erfährt die Welt über die Professionalität der mächtigen Opernstiftung mit ihren drei Opern und dem Staatsballett, das in allen drei Häusern auftritt. Dort sollen sie außerstande sein, Dunkelhäutige bühnentauglich zu stylen?

Wiebke Horn, Kostümdirektorin der Deutschen Oper und zuständig auch für die Maske der Tänzerinnen in „Schwanensee“, sagt: „Wir stellen für jeden Künstler sehr hochwertiges Make-up in allen Hauttönen zur Verfügung. Bevorzugt jemand eine spezielle Marke, kaufen wir die. Nach dem Corona-Ausbruch haben wir 95 teure personalisierte Schminksets für die Tänzerinnen und Tänzer in deren Hauttönen angeschafft, die sie mit nach Hause nahmen. Wir sind ein internationales Ensemble, hatten noch keine Beschwerden. Maskenbildnerinnen unseres Hauses waren verärgert über das, was über sie geschrieben wurde.“

Eine Maskenbildnerin sagt, sie habe Hilfe beim Haarstyling angeboten

Lauter Missverständnisse? Eine Maskenbildnerin aus der Staatsoper berichtet, sie sei auf Lopes Gomes zugegangen, habe ihr Hilfe beim Haarstyling angeboten: „Ethno-Haar hat ein enormes Volumen, im Ballett aber soll der Kopf trotz Perücke möglichst klein aussehen. Ich habe Frau Gomes unsere neuen strukturerhaltenden Feuchtigkeitsprodukte angepriesen. Sie hat das brüsk abgelehnt und mich stehen lassen.“ Die Tänzerin bestreitet das auf Nachfrage. Nach einer ersten dramatisch schlechten Erfahrung habe sie sich allein frisiert.

Seitenlang diskutierten die Medien vor allem das White-Painting, das Öhman für Lopes Gomes von Anfang an verbot. Ihm ging es schließlich um sichtbare Unterschiede. Die anderen Tänzerinnen von irisch-blass bis asiatisch-brünett, die sich für „Schwanensee“ Gesicht, Arme und Dekolleté weiter weiß färben sollten, protestierten: So nicht – alle oder keine! Seitdem pudern sich die Tänzerinnen in ihren Hauttönen. Das passt sicher besser in die Zeit als das Rassismus-Radar von Öhman: Weiße Schwäne untersagte er, aber die Tänzer der Fakire in „La Bayadère“, die mussten sich weiter braun färben.

Halten wir fest: Seit 2018 schminkt sich keine Tänzerin mehr weiß. Aber seit Ende 2020 behauptet Lopes Gomes in Interviews, dass die Ballettmeisterin genau das immer wieder von ihr verlangt habe – sich weiß zu schminken! Schroeder erklärt vor Gericht: „Es stimmt nicht. Das gehört nicht in meine Kompetenz, das entscheidet die Intendanz. Wir haben klare Anweisungen.“

Der Clou der peinlichen Skandal-Saga ist, dass das Staatsballett aus dem Vorwurf eine Abmahnung formulierte: Schroeder habe die Tänzerin zum Weißschminken „angehalten“. Marion Ruhl, Anwältin des Staatsballetts, erklärt vor Gericht, das sei etwa vor einer Fotoprobe passiert. Aber auf den Fotos erkennt man klar verschiedene Hautfarben. Ruhl: „Die weiße Nassschminke war transparent, man sieht sie nicht so.“ Interessant, eine unsichtbare Form von Rassismus? In amerikanischen Filmen hieße es jetzt: Keine weiteren Fragen, Euer Ehren.

Aber hier gibt es weitere Abmahnungen, die nächste in zwei Varianten. Erst hieß es, die Ballettmeisterin habe der Tänzerin auf einer Probe einen weißen Schleier verweigert, weil sie schwarz sei. Der Vorwurf wurde fallengelassen. Sechs Monate später lautet er stattdessen, sie habe den Schleier übergeben mit den Worten: „This is white, you are black, ha, ha, ha.“ Dafür die arbeitsrechtliche Maßnahme. Schroeder bestreitet beide Vorfälle.

Zum Lachen ist ihr nach einem Jahr Skandal-Vorwürfen nicht. Eigentlich gilt die hochgewachsene frühere Tänzerin mit Model-Figur als strahlend lebensfroh und zugewandt, beendet Proben gern mit einem positiven Spruch, ist beliebt. Einmal wollte sie arglos die Karikatur von einer zickigen Tanzlehrerin mit vier Elevinnen für ein lustiges Foto nachstellen, fragte, wer mitmacht. Lopes Gomes wollte. Schroeder mimte die Zickige – um die ging es, nicht um die Schwarze. Aber Lopes Gomes erklärte später, sie habe sich gefühlt wie in einer „Freakshow“. Deshalb bekam Schroeder eine dritte Abmahnung.

Doch wo steckt in dem Bild die Diskriminierung? Der Richter will wissen, ob jemand das Foto hat. Ein Zuhörer bringt Handy-Aufnahmen nach vorn. Auch die Anwältin lässt sie sich zeigen – kannte sie die gar nicht? Immerhin vertritt sie das Staatsballett, das die Abmahnung dafür erteilte.

Die Interimsintendantin des Staatsballetts berief Antirassismus-Seminare ein

Im Magazin Vogue erklärte Lopes Gomes ihre Wehrlosigkeit: „So etwas wie einen Betriebsrat oder Anlaufstellen für interne Probleme gibt es nicht.“ Hier eine Auswahl der Beschwerdestellen, die existieren: Ballettvorstand, Frauenvertretung, Konfliktberatung, Personalrat. Nur Lopes Gomes kannte scheinbar keine davon. Aber die Wege zur Presse und zum Gericht, die hat sie hurtig gefunden. Der Erfolg gibt ihr ja recht. Die Presse aktivierte mehrfach ihr Empörungspotenzial, schmückte die Texte mit glamourösen Fotos der Tänzerin mit den langen Locken. Der Tagesspiegel sprach von „schweren“ Rassismusvorwürfen, nannte die Ballettmeisterin eine „Deutsche mit Ostbiografie“. Als sei das ein genetischer Defekt, der Fremdenfeindlichkeit einschließt. Bei einer Frau, die seit drei Jahrzehnten im vereinten Deutschland mit Menschen aus aller Welt arbeitet. Für diesen Ostbiografie-Hinweis gibt es einen Begriff: Rassismus.Die Interimsintendantin des Staatsballetts, Christiane Theobald, wurde für ihr sofortiges Handeln vom Kultursenator heftig gelobt, berief gleich Antirassismus-Seminare ein. Barbara Schroeder erinnert sich: „Die beiden Experten wussten nichts von meiner Arbeit, blieben aber dabei, dass Lopes Gomes aus rassistischen Gründen gekündigt wurde. Sie kritisierten die hierarchischen Strukturen einer klassischen Ballettcompagnie: Nur weil etwas lange praktiziert wurde, müsse es nicht richtig sein. Intimbeschneidungen afrikanischer Mädchen seien trotz jahrhundertelanger Praxis nie richtig gewesen. Sie verglichen die Traditionen unseres Hochleistungs-Ensembles tatsächlich mit dieser grausamen Verstümmelung. Eine Belehrung auf diesem Niveau will ich nicht.“

Der Richter schlägt einen Vergleich vor

Der Richter Gerhard Binkert regte wie bei Lopes Gomes einen Vergleich an, weil Prozesse ausufern können, die Wahrheit kaum feststellbar sei. Das Staatsballett entfernt die Abmahnungen nun vorfristig, spätestens im Mai 2022.

Fassen wir zusammen: Bei gegensätzlichen Aussagen und Zeugen für beide Seiten legt sich die Leitung des Staatsballetts klar fest, wem sie vertraut. Sie belohnt die Tänzerin mit Geld und Engagement. Obwohl diese die Compagnie in der internationalen Presse unmöglich machte, übrigens unwidersprochen. Die Ballettmeisterin mit ihrer langjährigen tadellosen Arbeit hat dagegen loyal auf eine Presse-Schlacht verzichtet, doch das Staatsballett nimmt nicht mal seine skurrilen, mehrfach „angepassten“ Abmahnungen sofort zurück. Schlimmer, die Anwältin behauptet vor Gericht, Barbara Schroeder habe dem Staatsballett „großen Schaden“ zugefügt.

Ein Irrtum, dafür hat allein Lopes Gomes gesorgt, die ganz offensichtlich wegen ihrer Hautfarbe und aus politischer Korrektheit unantastbar blieb. Pathetisch erklärte sie nach ihrem Prozess im April: „Ein kleiner Sieg für mich, aber ein großer Schritt für die Ballettwelt.“

Nein, kein großer Schritt. Nur ein charakterloser Auftritt, den sich die Leitung des Staatsballetts hier leistet. Sie hat keine saubere Aufklärung in der Compagnie geleistet und wirklichen Rassismus in der Gesellschaft verharmlost.