Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

Ab jetzt: VERRISSE! Neuigkeiten im Juli

CLOWNS MIT RATTE

Das spanische, in Berlin ansässige Rotondateatro im Figurentheater Grashüpfer mit „Britta die kleine Ratte“

 

Wie würde mein rumänischer Besuch, drei und vier Jahre alt, auf ein Stück in spanisch reagieren, in das ich zwecks Urlaubsgestaltung die ganze Bagage kenntnisreich und instinkticher... Nein! In die wir eher zufällig gerieten? Wir sind weitläufig verwandt, ein Flop könnte meinen Status in der Sippe... nunja. Und die beiden haben im heimischen Kindergarten öfter Puppentheater zu Gast, d.h. gewisse Maßstäbe.

Aber alle Befürchtungen waren umsonst, vor allem der Dreijährige hörte fast gar nicht auf Mamas zugeraunte Übersetzungen und klebte mit allen Sinnen an der Bühne. Verständlicherweise. Auch längere Passagen in Spanisch schienen ihm wie den anderen im Saal keineswegs spanisch.

Die beiden Clowninnen wirkten in ihren Mitteln absolut sicher und präsent, schielten nie auf die Wirkung bei den Erwachsenen, ließen sich aber auch kaum von den Kindern manipulieren, bzw. manipulierten sie nur in für die Kinder erkennbar spielerischer, also verabredeter Weise. Es war kindgemäßes Theater im allerbesten Sinne, ohne Pädagogelei, aber auch ohne „Du sollst nicht langweilen!“ um jeden Preis, also Action. Und obwohl ich auf ihrer Webseite keinen Regisseur entdecken konnte und ich erfuhr, daß die drei Gruppenmitglieder die Stücke kollektiv entwickeln, hat die Inszenierung nichts von der nachsichtigen "Wohlfühl-Regie" manchen Berliner Freien Puppenspiels, wo sich alle zu lieb hatten, um dem Stück mit Konsequenz Schliff zu geben.

Bißchen viel Konserven-Musik, dachte ich erst – aber dann war auch das ausgewogen wie der gesamte Einsatz der verschiedenen Mittel. Die Rattenpuppe als gewissermaßen Pausenclown – was mir eigentlich erst hinterher bewußt wurde – wurde impulsiv, slapstickhaft gespielt, stilistisch der Clownerie entsprechend.

 

Nebenbei: Ich war länger nicht mehr im Treptower Figurentheater Grashüpfer. Hier hat sich nicht nur personell einiges geändert; wobei Gründerin und langjährige Maitresse de la Maison Sigrid Schubert offensichtlich in Ehren gehalten wird, auch ohne Gedenktafel - sie ist ja auch noch putzmunter. Alles ist jetzt dezenter ohne nüchtern zu werden, was die Aufmerksamkeit mehr auf die Bühne lenkt. Und wenn im Saal auch keine Puppen mehr hängen, bleibt das Haus PUPPENtheater - was Rotondateatros eher Clownsspiel mit Puppe nicht ausschließt, als gewissermaßen belebender Randbereich, ohne diesen als Innovations-Mißverständnis zur Hauptsache zu machen. 

 

Weiter zur Ratte mit Clowns: An einer Handlung ohne roten Faden, aber auch ohne mit immer wieder neuen Effekten Aufmerksamkeit zu erzwingen, ist schon mancher gescheitert. Hier waren es kleine, clownesk-präzise gespielte Vorgänge im Zusammenleben eines quasi Paares, mal ein bißchen gegenseitige Überlistung, mal gemeinsames Agieren gegen Objektes Tücke. Alles, was scheinbar nur Quatsch war, hatte im Kern einen Einfall. Ohne jemals inhaltlich das Genre zu überlasten.

Ich mußte an die alte russische Kindertheater-Regel denken , daß man für Kinder „genauso wie für Erwachsene spielen muß, nur besser“, die sich inzwischen als Übersetzungsfehler erwiesen hat: Nicht besser, sondern „klarer“ war gemeint. Und diese Klarheit war hier zu sehen, alles Geschehen war präzise abzulesen. Und so blieb auch der 8jährige hinter mir dran. Es war wirklich was für alle.

Nebenbei: Als kürzlicher Puppenspiel-Berufsaussteiger aus Altersgründen lege ich mir keine Fesseln mehr an und traue mir, auch Verrisse zu veröffentlichen – aber: Rotondateatro gab mir keinerlei Anlaß.

Mit scheinbarer Bedeutungslosigkeit ohne große Botschaft das Interesse wachzuhalten, ja, eine geradezu euphorische Stimmung zu erzeugen, das muß man erstmal schaffen. Kompliment, Mar Taulés, Maria Ruiz-Larrea und Raquel Rives.

Langer starker Beifall.

 

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Der kleine Prinz

 

DEFA / DDR-TV 1966 nach dem Buch von Antoine de Saint-Exupéry, Regie Konrad Wolf

 

Vor der Sendung stellte sich heraus: Die Aufführungsrechte zu erwerben hatte man vergessen, die TV-Aufführung fiel aus. 2015 sind die Autorenrechte erloschen und im Juli 2024 gabs den Film als DVD-Beilage in der Super-Illu.

Vom eher nüchternen Konrad Wolf erwartet man kein Phantasie-Gewitter und so ist der Film für ihn erstaunlich. Insgesamt erstaunlich nah am Original und in der Flut der Film- und Puppenspiel-Adaptionen dieses beliebten Buches eine der besseren. Die Grundfrage bleibt: Muß man die charmant-dilettantischen Zeichnungen des Autors auf Leinwand oder Bühne bringen und faktisch zwangsläufig perfektionieren? Was ihnen den eigentlichen Reiz raubt und das Ganze dem Kitsch näherbringt.

Die erste Riege der DDR-Mimen gibt die Planeten-Bewohner, Eberhard Esche nahezu unmaniriert den Flieger. Es ist das Premieren-Jahr des Theater-Hits “Der Drache” mit Esche als Lanzelot, wo kräftig verfremdend gespielt wurde. Mit der brachial phantastischen Ausstattung Horst Sagerts vertrug sich das bestens, Regie Brechtschüler Benno Besson. Ein wenig vom Mut dieses Franko-Schweizers zum Surrealismus hätte dem Prinzen-Film gutgetan.

Frauen als Darsteller männlicher Kinder ist eine alte Konvention, schon der erste Film-“Peter Pan” war eine Dame. Christel Bodenstein, damals als Märchen-Prinzessin und Musikfilm-Girl etabliert und damit ein bißchen abgetan, ist neben den Theater-Größen darstellerisch absolut gleichwertig, anders als andere Populär-Prominente. Man kommt ins Grübeln, warum sie später vor allem als Regieassistentin arbeitete.

Aber die Endzwanzigerin hat als kleiner Prinz kaum etwas Kindliches. Sie ist - auch ohne großen Busen usw. - Vollweib und das kann man nicht wegspielen, schon gar nicht im Film. Und so geht etwas unter, daß dieses Kind aus einer anderen Welt unkindliche Dinge sagt.

Man soll ja als Rezensent nicht kritisieren, daß das beurteilte Werk nicht das ist, was man selber gemacht hätte. Aber hier fällt mir doch ein: Warum ist der Prinz nicht die delirierte Inkarnation von Frau oder Freundin des in der Wüste abgestürzten Fliegers, was die erwachsen-weibliche Darstellung begründet?

Beeindruckend an dem Film schien mir die Auflösung in Takes, also der häufige, für DDR-Filme untypische Wechsel der Kamera-Perspektive, wo sonst alles aus einer Sicht abgefilmt wurde. Die Filmleute begründeten das mit “Authentizität”. Ich fands oft einfach öde. Hier also war das anders - bei einem eher unbekannten Kameramann: Günter Marczinkowsky - und die Anschlüsse waren weitgehend perfekt.

Nicht nur deshalb ist der Film alles in allem mehr als ein Zeitdokument.