Blumen und Tomaten

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.........................................................KZ – EIN SANATORIUM ?

KZ – EIN SANATORIUM ?

 

ZACHARIAS ZWEIGs Bericht aus Buchenwald und anderen Lagern: Vati hier bin ich

Ich empfehle unbedingt, diesen Tatsachenbericht zu lesen – aber nicht als Gegenagitation zum Roman von Bruno Apitz. Im Jahr 1958, während die krassesten stalinistischen Erscheinungen in der DDR langsam abklangen, sich aber immer noch massiv auswirkten, auch in der Zensur, schrieb Apitz seinen Roman “Nackt unter Wölfen” über einen kleinen jüdischen Jungen im KZ, von Kommunisten gerettet. Das reale Vorbild des Kindes wurde allerdings mindestens ebenso von seinem Vater gerettet, eben Zacharias Zweig. Im Buch taucht kein Vater auf. Was führte zu Apitz' Veränderungen am Stoff, die seit längerem moniert werden: Er suchte eine poetische Verdichtung. Und er war Beeinflussung und Zensur ausgesetzt. Z.B. sollte der kleine Jude doch lieber ein Russe sein – der Jude berührte das Problem der DDR mit Israel. Apitz blieb in diesem Punkt bei der Realität, dem jüdischen Kind, für 1958 beachtlich. Nie zu klären wird wohl sein, wieweit er von Willy Blum wußte, dem Sinto, der statt Stefan Jerzy Zweig in Auschwitz ermordet wurde. (Angesichts der Verunsicherung, die das Bekanntwerden Willy Blums in den letzten Jahren auslöste, wäre verständlich, daß Apitz in den soviel unflexibleren 50er Jahren erst recht kein weiteres Problem berühren wollte).

1961, als der Kontakt von Apitz und Umfeld zum vermutlichen Vorbild des Jungen, Stefan Jerzy Zweig, hergestellt war, verfaßte dessen Vater, Dr. Zacharias Zweig, Pole und zweisprachig, auf Deutsch seine eigenen Erinnerungen an die Zeit im KZ Buchenwald und zuvor in anderen Lagern. Er lebte inzwischen in Israel.

Beim Lesen dieses Textes, unkompliziert im Internet zu finden, bemerke ich weitgehend erstaunliche Nüchternheit, auch im Verhältnis von Zacharias Zweig zu seinem Sohn, nur gelegentlich wird es emotional. Wollte er auf keinen Fall polemisch wirken – vor allem gegenüber Apitz' Roman?

Die zahlreichen Beschreibungen des Kindes und seines Verhaltens profilieren es allerdings sehr prägnant und damit unbedingt berührend. In wohl jedem Leser erwacht der Beschützerinstinkt.

Zweigs Darstellung von Greueln halten sich in Grenzen. Der Anwalt Dr. Zweig muß täglich harte körperliche Arbeit verrichten – und wird öfter freigestellt, um seinen Sohn zu sehen. Anders als zumindest ich es gewohnt bin, gibt es im KZ-Alltag neben dem Grauen auch immer wieder Elemente von erstaunlicher Normalität und es werden von manchen Häftlingen – nicht immer als privilegierte Kapos deutlich – zeitweise Aufhebung der Regeln erwirkt. Am auffälligsten wohl der Umgang mit dem kleinen Jungen durch einige Häftlinge, teilweise geradezu exclusiv behandelt, er bekommt maßgeschneiderte Häftlingskleidung und Schuhe, zeitweise ein eigenes Zimmer und Essen auch dann, wenn sein Vater wie andere hungern muß.

Es gibt Folter zur Erpressung von Informationen, brutale Schläge mit einem Balken und Tod – und eine gewisse medizinische Versorgung für Häftlinge, sogar ein Krankenhaus. Ebenso Bordelle für sie, was doch erst in jüngerer Zeit thematisiert wurde. Sie werden in diesem Bericht schon erwähnt, wenn der Kleine von den “Muttis”, wie er sie nennt, verwöhnt wird.

Und einmal wird eine geplante Maßnahme tatsächlich erst diskutiert - zwischen KZ-Chef und Häftlingen, im Text sicher eine Ausnahme, dennoch erstaunlich. Zweig, deutlich ohne höhere Ambition als der, das Geschehen möglichst genau mitzuteilen, verdeutlicht durch sein Prinzip – vielleicht unbeabsichtigt – daß hinter der Normailtät jederzeit das ganz und gar nicht Normale vervorbrechen konnte und jederzeit anwesend war. Er vermeidet gewissermaßen, auf immer der gleichen Klaviatur des Schreckens zu spielen – auch das ermüdet ja, wie bekannt.

Es kommt also Ungewöhnliches zutage, in einem Text von 1961. Der keinesfalls verführen sollte, “so schlimm wars doch gar nicht” zu denken. Was vielleicht befürchtet wurde und dazu führte, diesen Text nicht weiter zu popularisieren. Die Holocaust-Leugner machen deutlich, daß solche Bedenken nicht aus der Luft gegriffen sind.

 

 

http://www.stefanjzweig.de/data/5-Vati-hier-bin-ich.pdf