Blumen und Tomaten

Blumen und Tomaten

"Asoziale" und "Berufsverbrecher"

sollen endlich als Naziopfer anerkannt werden. Richtig. Aber muß man sie soweit entschulden, daß sie NUR noch als Opfer dastehen?

Nach Faktenlage wurden "Kriminelle" nach mehr oder weniger ordentlichem Prozeß und Haftverbüßung oft in KZs eingewiesen. DAS war nach rechtsstaatlichen Kriterien illegal. 

 

https://www.change.org/p/deutscher-bundestag-anerkennung-von-asozialen-und-berufsverbrechern-als-opfer-des-nationalsozialismus/u/31114049?cs_tk=Al5FW6XI9Lw7M-X7iWMAAXicyyvNyQEABF8BvGXPgDVlUjMVHKKzVxOdPAA%3D&utm_campaign=416bf828bb1e41c19a248417fe8bdbe9&utm_content=initial_v0_6_0&utm_medium=email&utm_source=petition_update&utm_term=cs 

 

Die Diskussion dazu kommt nicht in Gang, jedenfalls nicht im Internet (aber wo sonst?). Und meine kritischen Äußerungen sind ungenehm. 

Als ich darauf aufmerksam mache, daß z.B. im KZ Buchenwald kriminelle gegen politische Häftlinge instrumentalisiert wurden, gibts gleich einen Verweis: Kriminell und asozial war im Nazireich schon jeder, der nicht stramm mitmarschierte. Richtig. Aber muß man ausblenden, daß es auch "normale" Kriminalität gab? Auch im III. Reich wurde ganz normal geklaut. Bevor die berühmten Sass-Brüder auf dem Weg ins KZ starben, hatten sie eine lange und erfolgreiche kriminelle Karriere. Soll man die über ihrer Opfergeschichte ausblenden?  

 

Die Lager-Selbstverwaltung durch die kriminellen Häftlinge in Buchenwald übernahm latent Strukturen von kriminellen Ringvereinen usw. - das erschien den Nazibestimmern praktisch. Irgendwann liefen jedoch die Mafiastrukturen aus dem Ruder, jetzt wurde den Kommunisten die Verwaltung übertragen, weil sie im Rotfrontkämpferbund milit. Organisationserfahrungen hatten.

 

In der jetzigen Diskussion wird auf andere Opfergruppen verwiesen (z.B. wirklich oder vermeintlich psychisch Kranke), dabei wird hinlänglich Bekanntes wiederholt, aber dem eigentlichen Thema ausgewichen, es entsteht eine unkritisch-sentimentale Athmosphäre mit mir als Außenseiter.

 

Ich bin für die Anerkennung von "Asozialen" und "Berufsverbrechern" als Naziopfer. Aber ich bin gegen eine für die meisten Menschen nichtssagende Bezeichnung dieser Gruppe als „die verleugneten NS-Opfer“. Das waren lange Zeit auch die Sinti/Roma/Zigani. Oder die Homosexuellen In der Diskussion habe ich dazu geschrieben: ...wer heute nicht weiß, was "asozial" und "kriminell" bei den Nazis hieß, begreift sowieso das ganze Problem nicht.

 

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Hier stelle ich meine Kommentare zur Petition ein (habe sie unter der Petition gelöscht, weil die Reihenfolge plötzlich durcheinander kam, dadurch nicht mehr klar war, worauf ich antworte und als manische Quasselstrippe dazustehen drohte).. 

 

Zur Neubezeichnung der Betroffenen als "vergessene Opfer":

Alles erstmal richtig. Aber bei neuen Bezeichnungen droht manchmal jeder konkrete Hintergrund zu verschwinden. Ein KZ war letztlich eine illegale Terroreinrichtung eines Umrechtsstaates. Gegen "politische" wurden dort manchmal wiederum "kriminelle" Häftlinge instrumentalisiert, die natürlich auch Opfer waren, vor allem, wenn man ihnen genetische, also unveränderbare Defekte angehängt hat. Diese Naziopfer sollte man aber auch nicht gänzlich undifferenziert "entschulden" - aber natürlich als Opfer behandeln und ihre Geschichte aufarbeiten.

 

Frau Hackstock (die auf ihre Tante als Euthanasie-Opfer hinwies, "auch diese menschen sollten nicht vergessen sein") : Natürlich nicht, aber wir können hier auch noch über die schwulen Opfer reflektieren und die "Zigeuner" und und und. Vielleicht auch noch über heutige Terrorsysteme usw.. Ob das beim konkreten Thema ANERKENNUNG DER "ASOZIALEN" UND "BERUFSVERBRECHER" ALS NAZIOPFER weiterhilft? Leute, die hier vielleicht was beizutragen hätten, aber sich nicht so correct ausdrücken können oder wollen, daß sie nicht gleich korrigiert werden, haben sich vielleicht schon verschreckt zurückgezogen.
Mich erinnert es an die Entdeckung des "anderen" Buchenwaldkindes Willy Blum vor einigen Jahren, als Sinto / "Zigeuner" in Auschwitz ermordet. Der Fall drohte wegen Begriffsklauberei verdrängt zu werden. Und weil "Opferhierarchien" nicht genug beachtet, sprich, weil die "Zigeuner" als Naziopfer plötzlich manchem zu wichtig schienen.
Also: "Asoziale" und "Berufsverbrecher" als Begriffe belassen statt eines gereinigten Wortes ("verleugnete NS-Opfer"), das für die meisten Menschen inhaltsleer bleibt. Durch die Gänsefüßchen und den inhaltlichen Kontext gibt es genug Distanzierung - und wer heute nicht weiß, was "asozial" und "kriminell" bei den Nazis hieß, begreift sowieso das ganze Problem nicht.

 

(Reaktion auf einen inzwischen gelöschten Beitrag, der die Kriminalität der "kriminellen Opfer" latent aufhob): Natürlich. Und natürlich wird mich mißverstehen, wer will. Aber sicher auch richtig verstehen, wer will.